OP Bericht

Am 21.11.05 hat mein Mann mich nach Essen in die Uniklinik gebracht und am 22.11.05 bin ich dann morgens früh operiert worden. Da ich ja vor Angst vergehe, wenn so was ansteht, war ich fix und foxi. Die OP ist soweit gut verlaufen, nur aus einer max. ¾ Stunde wurden 1 ¾ Stunden, da ich nicht nur vorne, sondern auch weiter hinten im Ohr erheblichen Knochenfraß hatte. Und man hat neben dem Trommelfell auch ein Implantat aus Titan eingesetzt.

Ich hatte wohl den Eindruck hatte, in einer Fabrik gelandet zu sein. Brrrr, alle so desinteressiert und unfreundlich. Ich hatte zum Glück eine nette Zimmergenossin. Weder sie noch ich haben außer zu den Mahlzeiten mal eine Schwester oder so was gesehen, nix. Und der Professor, der uns operiert hat, mag ein Genie auf dem Gebiet sein, menschlich aber nicht. Und er ist auch ziemlich grob im Umgang mit Patienten, kommt auch nicht so gut. So zack zack, Time is money. Somit bin ich dann 2 Tage früher nach Hause, was der Prof gar nicht so toll fand. Nicht wegen mir, nein, eher wegen seiner Geldbörse. Alle auf der Station waren ziemlich unzufrieden und wollten so schnell wie möglich nach Hause.

Tja, ich hatte leider in der Woche nach der OP sehr starke Kreislaufprobleme (68 zu 45) und Gleichgewichtsstörungen. Bin hier rumgelaufen wie rin "Schluck Wasser in der Kurve". Die Tropfen, die man mir gegeben hatte, wirkten dann zumindest ein wenig. Aber so richtig fit war ich erst nach ein paar Tagen, zumindest was den Blutdruck anging. Da ich die Nachsorge auf keinen Fall in Essen machen lassen wollte, habe ich meinen HNO gebeten, diese zu übernehmen. Die Tamponaden mussten 3 Wochen im Ohr bleiben. Und am vergangenen Sonntag war es so weit, er hat den ganzen Mist (Mull und Gel) rausgeholt. Oh, Gott, das war super ekelig, das Gel musste u. a. abgesaugt werden. Würg ! 

Die Operation scheint voll gelungen, denn ich höre auf dem rechten Ohr so viel, dass es Hörstress verursacht. Seit Sonntag erschrecke ich mich zigmal am Tag, denn ich kenne die meisten Geräusche nicht. 26 Jahre nur ½ hörend durch die Welt laufen, das prägt ! Ob Kaffeemaschine, Müllbeutel wechseln, Wasserhahn aufdrehen, Autofahren empfinde ich als Hölle, usw. usw. – lt. meinem Arzt dauert das gute 3 - 6 Monate, bis das Hirn sich darauf eingependelt hat, dass beide Ohren wieder hören. Im Moment wünsche ich mir mein altes Ohr zurück, denn auch während ich hier tippe – das ist so laut !!! Aber da muss ich denn durch, hilft ja nichts. Mein Tinni ist lauter denn je, was angeblich noch normal ist. Denn eigentlich soll das Geräusch ja weniger werden …

Tja, und dann kam ein völliger Zusammenbruch am 26.12.2005

ich mailte aus purer Verzweiflung dem Facharzt aus der Rehaklinik, in der ich Monate zuvor als Patientin war.

Sehr geehrter Herr Doktor Rehbein,

im April/Mai 2005 war ich Patientin in Ihrem Hause. Nach eingehender Untersuchung rieten (neben meinem HNO) auch Sie mir dringend zur OP meines rechten Ohres und baten darum, dass ich mich anschließend bei Ihnen melde. Denn Sie, aber auch mein HNO, hofften, dass, wenn ich mit beiden Ohren wieder halbwegs hören kann, mein Tinnitus im linken Ohr nach erfolgter OP in den Hintergrund verdrängt wird.

Am 22.11.05 erfolgte die OP durch Prof. Dr. Klaus Jahnke in der Essener Uniklinik. Sie war dahin gehend erfolgreich, dass ich mein Hörvermögen rechts zum großen Teil wieder erlangt habe und dies zur Zeit zu gewaltigem Hörstress führt, da ich 26 Jahre nur ½ hörend war und sehr viele Geräusche für mich ungewohnt sind. Aber dies wird sich nach und nach legen, so sagen die Ärzte.

Leider hat die OP dazu geführt, dass der Tinnitus links unerträglich laut geworden ist, und ich seit 2 Wochen nun auch Tinnitus im rechten Ohr habe, hier handelt es sich aber nicht um einen konstanten Ton, sondern sich jede Sekunde verändernd von höher auf etwas weniger hoch. Es hört sich an, als wenn ein Martinshorn in meinem Kopf ist. Und ich stehe ohnmächtig hiervor und weiß überhaupt nicht, wie ich mit dem jetzigen Zustand umgehen soll oder kann. Ich quäle mich regelrecht durch die Tage, was sich auch auf meine familiäre Umgebung auswirkt. Seit März 2004 habe ich an dem linken Ohr Tinnitus, und die Monate bis zu meinem Aufenthalt in Ihrer Klinik waren nicht nur für mich schwer, sondern auch für meine Familie und Umgebung. Nach der Reha war ich zumindest so weit, dass der Tinnitus mich nicht mehr ganz so bestimmte. Was jetzt schlimmer denn je der Fall ist. Ich bin nicht mehr ich, meine Gedanken sind wie durchgedreht. 

Mein HNO behandelt mich zur Zeit wieder mit Cortison und durchblutungsfördernden Mittel, die aber keinerlei Wirkung zeigen. Fassungslos stehe ich vor dem jetzigen Ergebnis, denn davon hatte weder jemand im Vorfeld gesprochen noch war mir bewusst, dass so etwas eintreten kann - woher auch. Ich hatte so gehofft, mir geht es besser nach der OP, von dem Hörstress am Anfang abgesehen. Und nun weiß ich nicht, wie ich mit der jetzigen Situation umgehen soll. Ich versuche seit Tagen, mit den autogenen Übungen, die ich in Ihrem Hause erlernt habe, mir zu helfen. Leider erfolglos. Und ich weiß auch nicht, wohin ich gehen kann. Wer mir helfen kann. Alleine komme ich aus dieser Situation nicht heraus. Schlimm ist für mich auch, dass fast alle Menschen um mich herum nun der Ansicht sind, dass es mir doch besser gehen muss, oder ich zumindest Geduld haben solle. Was ich ein Stück weit verstehen kann. Ich mag auch schon gar nichts mehr sagen, da ich einfach überfordert bin. Und in mir ist nur noch Panik, Panik, dass der unerträgliche Krach in meinem Kopf bleibt. Ich brauche Hilfe.

Und wende mich nun an Sie, ob Sie einen Rat für mich haben, an wen ich mich wenden kann. So schlecht wie jetzt war mein Zustand noch nie, und ich habe nur noch den Wunsch nach Ruhe. Ruhe in meinem Kopf.

Bitte helfen Sie mir, Herr Doktor Rehbein.

Danke, dass Sie sich die Zeit zum Lesen genommen haben, und ich hoffe sehr, von Ihnen zu hören,

Kerstin Vieker.

Anmerkung: der Arzt rief tatsächlich 2 Tage später an und versuchte, mich zu beruhigen. Er war der Ansicht, dass dieser akute Zustand nicht der letzte Stand der Dinge sein würde. Er bot mir weiterhin an, zu ihm in die Klinik zu kommen zwecks Untersuchung etc.

Stand März 2006 / Dezember 2008:

Seit dem 27.12.05 befinde ich mich nun in therapeutischer Behandlung - dank meiner Ärztin, die sofort erkannte, dass ich mich ganz tief in einem Loch befand. Und heute geht es mir zumindest so weit so gut, dass ich nicht mehr zu 100 % von Geräuschen in meinem Kopf bestimmt werde. Ich versuche die Gedanken von den Geräuschen wegzulenken, in dem ich mich fast pausenlos beschäftige. Ist zwar auch stressig, aber es hilft zumindest. Nach wie vor bin ich auch sehr geräuschempfindlich.

Aber wenn es so bleibt wie zur Zeit will ich gar nicht mehr klagen. Ich versuche, den Zustand zu tolerieren. Akzeptieren werd ich ihn wohl nie !

Kerstin.